Inhalt der Reden der Unterweisung

Im Folgenden geben wir eine kurze kommentierte Übersicht zum Inhalt der Erfurter Reden wieder. Wir danken Herrn Prof. Dietmar Mieth für diesen Text.

1. Vom wahren Gehorsam

Eckhart stellt nicht den Gehorsam des Mönches gegenüber seinem Vorgesetzten oder den Gehorsam gegenüber einer weltlichen oder kirchlichen Obrigkeit in den Mittelpunkt. Gehorsam ist vielmehr, wer „für sich selbst nichts will“. Für den will dann Gott. „Wo ich nichts für mich will, da will Gott für mich.“ Oder: gib das deine auf, dann gibt er das seine. Das entspricht der Vaterunserbitte „dein Wille geschehe.“ Man soll freilich diesen Willen Gottes nicht durch ein „ich will es so“ oder „ich will es so nicht“ begleiten, sondern sich vom Willen Gottes wie ein leeres Gefäß erfüllen lassen und sich diesem Willen überlassen.

2. Das stärkste Gebet und das größte Werk

Sei innerlich leer und frei. Je freier, umso kräftiger. Wann ist unsere Gesinnung frei? Wenn wir durch nicht beirrt und gebunden werden, vor allem nicht durch unseren Eigenwillen. So wird das Gebet „dein Wille geschehe“ am kräftigsten: alles an uns – Augen, Ohren, Mund, Sinne und Herz sollen einheitlich ausgerichtet sein, so dass im Gebet Gott selbst gegenwärtig wird.

3. Aber die Menschen sind anders: voll Eigenwillen. Sie können sich nicht überlassen.

Statt sich innerlich zu ändern, wollen sich fromme Menschen äußerlich verändern, z.B. andere nachahmen, auf Reisen gehen oder in ein Kloster eintreten. Sie sind nicht im Frieden mit sich selbst. Sie meinen, sie müssten die Umstände ihres Lebens ändern und versäumen dabei, sich innerlich zu ändern. Denn sie verhalten sich „zu den (äußeren) Umständen verkehrt“. Statt dessen sollten sie lernen, sich selbst zu ändern, sonst haben sie Unfrieden, wo immer sie hin gehen, ob in einen anderen Lebenskreis oder an einen anderen Ort oder in die Ferne. Sie laufen weit von sich weg und gehen in die Irre. Bleib bei dir, aber lass dich. Was immer du an äußeren Gütern lässt, es erzielt seine Wirkung auf dich nicht von selbst. Gehst du aber aus deinem Eigenwollen heraus, dann kannst du Güter und Ansehen besitzen, aber es kommt dir nicht darauf an. Du sollst dich selbst nicht wie einen Besitz pflegen, auf den dann alles ankommt, auch nicht im Traum deines Begehrens. „Denn was du nicht begehrst, das hast du hingegeben.“ Was Jesus an der geistigen Armut lobt (Mt. 5,3), das ist die innere Freiheit vom eigenen Besitzstreben und Begehren. Also: „Gibt auf dich selbst acht, und wo du dich dann befindest, da lass von dir ab – das ist das Allerbeste“.

4. Wozu ist das „lassen“ gut?

Das „Lassen“ um das es hier geht, ist ein Prozess ohne Ende. Deshalb ist die Verbindung mit Gott durch das „Lassen“ jeweils so weit gediehen, als das „Lassen“ gediehen ist. Gott erfüllt dich, soweit du leer bist, nicht mehr, nicht weniger. Also: wo stehst du, wie steht es mit dir? Bist du richtig ausgerichtet, so ist es auch dein Tun. Wie du bist, so wirkst du.

5. Im Grunde gut sein

Es geht also darum, von Grund auf gut zu sein. Der Grund des Guten ist Gott. Lebst du aus diesem Grund, dann kleidet er dich mit Güte. „Wer Gott anhaftet, dem haftet Gott an und macht ihn gut.“ Was schlecht ist, flieht dann von dir.

6. Gib alles auf und lass dich von Gott beschenken

Wenn du innerlich richtig bist, dann spielt es keine Rolle, wo du dich aufhältst. Bist du innerlisch falsch ausgerichtet, dann passt es dir überall nicht. Gott ist bei Dir auf der Straße, unter den Menschen, in der Kirche. Nichts hindert dich mehr. In allem, was begegnet, leuchtet Gott wie Gold. Gott wirkt durch einen solchen Menschen. Der Mensch ist gleichsam gott-fühlig. Dieses Grund-Gefühl durchdringt ihn, auch wenn er durch Vielerlei bewegt wird. Da kann er hindurch. Ein Kirchenraum kann dabei helfen, aber es geht um eine Gegenwart Gottes in jeder Situation. Dieses Grund-Gefühl lässt sich mit dem gleichbleibenden Durst vergleichen: solange er ungestillt ist, bleibt er gegenwärtig, was immer sonst geschieht. Oder mit der Liebe, die für ihn alles durchdringt. Es geht um einen Durchbruch von innen her, um eine Änderung, nicht um eine äußere Veränderung.

Das kann man üben. Wer schreiben lernt, fängt auch unbeholfen an, bis es ihm einmal leicht von der Hand geht. Wer ein Instrument lernt, kommt durch Übung in die Leichtigkeit. So ist es auch mit dem Gottes-Gefühl: erst muss man sich darum bemühen, dann kommt es von selbst.

7. Wie erreicht man, dass man im Tun seine Einsicht folgt?

Sind wir in diesem Grundgefühl, dann können wir die Möglichkeiten studieren und nutzen, die uns in der Welt begegnen. Wer innere Einsicht hat, der wirkt auch richtig. Denn Gott ist „in allen Dingen“ zu finden. Wer ihn innen hat, dem hilft er nach außen. Gott leuchtet dann auch von außen herein, nicht nur von innen heraus. Wer so weit kommt, der fühlt sich mitten im Wirken ungehindert bei Gott.

8. Wer sein Leben steigern will, der schläft nicht ein, sondern er handelt umsichtig und besonnen.

9. Auch die Fehler können hilfreich sein.

Es gibt niemand, der nicht in Schwierigkeiten geratem oder zu etwas Falschem verleitet werden kann. Aber man kann sich darauf so einstellen, dass man innerlich dennoch beständig bei seiner Grundorientierung bleibt oder zu dieser zurückkehrt. Schwach kann jeder werden, aber indem er wieder zu sich selbst und zu seiner Grundorientierung findet, zieht er aus den Schwächen neue Kraft. Nicht die Schwäche ist das Problem, sondern das, was einen schwach und fehlerhaft macht, zu wollen, d.h. seine Grundorientierung zugunsten einer anderen Orientierung aufzugeben. Nicht die Neigung zur Sünde ist das Problem, diese Neigung sollte man nicht von sich weg wünschen, sondern die Art, wie man damit umgeht.

10. Ein guter Wille ist zu allem fähig.

Der Mensch ist oft gutwillig, aber er erreicht damit nicht, was er eigentlich will. Dann erschrickt er oder er ist betrübt. Aber eigentlich fehlt ihm das Wichtigste nicht, denn die Gutwilligkeit kann ihm niemand nehmen, nicht Gott nicht jemand anders. Es geht darum, etwas durch den guten Willen wirklich gegenwärtig zu haben, als läge es einem im Schoss.

Der Bosheit trauen wir zu, dass der Wille dazu genügt, um böse zu sein, noch bevor die Tat ausgeführt ist. Dem guten Willen sollten wir auch zutrauen, uns augenblicklich gut zu machen! Denn wenn wir vom Wollen erfüllt sind, aber das nicht umsetzen können, so ist es doch als unser Wollen in der Welt und von Gott bei sich aufgenommen. „Was ich haben will, das habe ich.“ Ebenso: was ich umfassend lieben will, das liebe ich.

Aber wann gehe ich so auf das Ganze? Dann, wenn ich nach etwas strebe, ohne es zu meinem ausschließlichen Eigentum machen zu wollen und aus dem Wollen Gottes heraus wollen will. Hältst du dein Wollen nicht für so großartig, dann bedenke: nicht das, was alle großartig finden, macht die ganze Liebe aus, sondern die Intensität, mit der du willst. Wille ist mehr als die großen Gefühle. Wille soll für sich fest sein, auch ohne den Rückhalt wohliger Empfindungen. Die Festigkeit der Ausrichtung kann man prüfen: wenn man, statt in frommen Gefühlen zu schwelgen, sich auf die alltägliche Not einlässt und bereit ist, Armen zu helfen und Kranke zu pflegen.

Wer etwas lässt, erhält es hundertfach wieder (vgl. Mk 10). Wer etwas aufgibt, wird beschenkt. Denn was ihm fehlt, schafft Raum für die Entfaltung der Liebe Gottes. Paulus geht sogar so weit, die Trennung vom Trost der Liebe Christi in Kauf zu nehmen, wenn es um die tätige Liebe zu den Brüdern und Schwestern geht (vgl. Röm.9,3). Auch da gilt, verlierst du Trost, gewinnst du größeren Trost.

11. Wenn sich Gott entzieht und verbirgt – was kann ich tun?

Unterscheide, was du empfindest und was dich tröstet von dem, was dir bleibt. Denn du kannst dich zum Leiden so verhalten als wärest du getröstet. Du kannst dich zu Gott so verhalten, dass du ihn sein lässt und nicht für dich festhältst. Dann kannst du dich überlassen, wie Paulus sich dem Willen Gottes überlassen hat (vgl. Apg 9,6), wie Maria ihren Willen in das Wollen Gottes hineinlegte. „Zum wahren Menschen wird man durch das Lassen des Fürsichwollens.“ Es geht darum, nicht durch Eigenwollen zu blockieren, was als Gottes Wille durch einen hindurch gehen will. Im Himmel sind viele Menschen, die das nicht ganz geschafft haben. (Man kommt auch mit halben Wind über das Meer). Aber das ist Richtung auf das Ganze hin: „rundum in Gott sein“; Gott rundum wie eine Kappe auf dem Kopf zu tragen. Das ist ein Schutz, wenn jemand schlagen will. Gott auf der Zunge zu tragen, damit man merkt, was eigentlich süß und wohlschmeckend ist.

Gott leidet mit. Sein Leidensbereitschaft und seine Leidensfähigkeit ist größer als unsere. Was uns an Leiden trifft, trifft ihn noch härter, weil er dafür noch empfindsamer ist. Macht sein Leiden nicht unsere Bitternis süß? „In der Finsternis leuchtet das Licht“, das man im Hellen nicht sieht.

Verlier ich mich, gewinn ich dich. Mache ich etwas falsch, richte ich Schaden an, „dann muss Gott, da er im guten Willen anwesend war, konsequenterweise auch den Schaden mittragen.“ Niemand wird von Fehlern verschont, weder von Fehltritten noch von Fehlsprüchen. Weil aber Unkraut ins Korn gerät, soll man das Korn nicht ausreißen. Was dich scheinbar zurückfallen lässt, trägt dich wieder voran. „Denn dem Guten wendet sich alles zum Guten (vgl. Rom. 8,28), selbst die Sünden, sagt Augustinus.“

12. Wie soll man sich als Sünder verhalten?

Die Reue hebt die Sünde sofort auf. Denn wer will die Sünde als Sünde, wenn er gutwillig ist? Deshalb: aus dem Wollen Gotts heraus soll man nicht wollen, die Sünde wäre nicht geschehen. Denn das Wollen Gottes mit dir setzt sich fort: du bist jetzt demütig, fühlst dich niedrig, aber daraus soll das Bessere entstehen. Gott hindert nicht, was dir aus deiner Unzulänglichkeit geschieht, aber fängt mit dir jederzeit neu an, ohne dir weitere Vorhaltungen zu machen. Es geht um den Neubeginn jetzt. Denn: „Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt er dich zu sich, nicht, wie du gewesen bist, sondern wie du jetzt bist.“ Gott trägt die Sünde um deiner größeren Erkenntnis seiner Liebe willen. Selbst den Aposteln blieb es nicht erspart, Todsünder zu sein. Er hat die Tiefe der Fehler in die Höhe des Erbarmens geführt.

13. Zwei Arten der Reue

Die eine Art führt in die Verzweiflung, das ist eine Sachgasse. Die andere kehrt um, weil ihr die Umkehr in der Reue angeboten wird. Gib dich nicht auf, binde dich neu. Das ist, wie wenn man von einer tieferen auf eine höhere Stufe tritt. Gott öffnet seinen unendlichen Abgrund, um darin die Sünden verschwinden zu lassen. Du kannst in der Reue wiedergeboren werden. (vgl. M. Scheler)

14. Zuversicht und Hoffnung

Zutrauen und Vertrauen ist wichtig. Das kann man Gott gegenüber nicht übertreiben. Liebe, die einem entgegen kommt, lässt vertrauen und schafft eine innere Gewissheit und eine Geborgenheit ohne Zweifel.

15. Wie wird man des ewigen Lebens gewiss?

Es gibt eine Gewissheit durch innere Erleuchtung, die wenigen Menschen gegeben ist. Es gibt aber auch die Gewissheit der Liebe, und diese ist größer, „echter“, glaubwürdiger und sicherer. Sie beruht auf dem täglichen vertrauensvollen Umgang mit ihr. In diesen Umgang sind alle Geschöpfe und Freundschaften mit Menschen einbezogen. Wer liebt, fürchtet sich nicht (vgl. 1.Joh 4,18). Wer liebt, hüllt sich in den Mantel der Vergebung (vgl. 1.Petr. 4,8). Liebe tilgt Altes und beginnt Neues. Tilgt sie mehr, so steigert sie sich dadurch (vgl. LK 7,47).

16. Büßen und Lieben

Heute tun viele Menschen Buße. Mit Fasten, Barfussgehen und dergleichen… Wahre Buße ist aber Abkehr und Umkehr in die Liebe Gottes. Fügst du dich in diese Liebe, dann bist du richtig ausgerichtet. Sünden und Sündenstrafen sind dann getilgt. Wenn du dann jetzt stirbst, schaust du direkt Gottes Angesicht.

Denn die wahre Buße stützt sich auf das Leiden Christi. Versetze dich da hinein: er wollte dies für uns, nun wollen wir mit ihm. Äußere Busswerke könnten diese innere Einstellung behindern. Also konzentriere dich auf innere Ausrichtung in seiner Liebe. Darin ist die ganze Welt erlöst und neu ausgerichtet. „Schmiege dich mit deinen Gebrechen und Fehlern ganz an ihn, dann wirst du heil.“

17. Vom inneren Frieden und von der Nachfolge Christi

Du plagst dich, weil du nicht die Mühsal Christi und der verfolgten Heiligen erlebst? Tut das nicht, du bist nicht fern von Gott. Denn Gott kommt dir nahe, wenn du dich auch fern fühlst. Gott steht vor deiner Tür: lass sie offen für ihn! Sei auch nicht zu streng mit dir, wenn du nicht die Wege gehen kannst, die alle bewundern. Denn es gibt viele Wege (vgl. 1Kor. 7,24). Und „ein Gutes ist nicht gegen das andere auszuspielen“. Es gilt, „niemandes weise zu verachten“. Sei nicht wechselhaft in deinen Weisen und Wegen. Liebe die Vorbilder und finde Gefallen an ihnen, aber du musst sie nicht kopieren! Das gilt auch für Jesus Christus: wir müssen nicht, wie von ihm erzählt wird, 40 Tage hart fasten. Jeder suche seine Weise selbst, folge damit Christus nach und versuche nicht, ihn zu kopieren. Fasten im Sinne Jesu ist es auch, ein Wort nicht auszusprechen, wenn Schweigen besser ist. Oder auf eine Beleidigung nicht zu antworten.

18. Gut Essen, sich fein kleiden und fröhlich feiern

Bist du in deiner Ausrichtung innerlich gefestigt, dann kommt es auf die feinen Kleider nicht an: sie erhöhen dich nicht, sie schaden dir dann aber auch nicht. So ist es auch mit den guten Speisen in der Familie oder anderer Geselligkeit. Sei froh und dankbar dafür. Fasten hat seine Zeit, Speisen hat seine Zeit. Freuden und Leiden haben ihre Zeit. Da kann von Christus selbst lernen, sogar, dass im Leiden Segen liegen kann. Deshalb muss man in diesen Sachen, Essen und Kleiden, nicht durch das Aufsehen, das man erzeugen will, glänzen. Es ist nicht verboten, etwas Besonderes zu kochen oder zu tragen. Das kann auch eine Last sein. Aber eingebildet auf sich selbst soll man nicht sein, vielmehr „eingebildet in Christus. Wer aus ihm wirkt, dessen Wirken nimmt er auf.

19. Du tust viel und gute Werke: auch das kann dich hindern

Es ist hinderlich, wenn du an diesen frommen Werken hängst und dich nicht schlicht Christus überlässt. Auf seine Güte und Barmherzigkeit ist Verlass. Mit Werken kann man nicht richtig und gerecht werden. Sie sind nicht das, was uns Halt gibt. Vielmehr finden wir halt in der „freien Güte“ Gottes. Lass dich von Gott halten und du bist gehalten.

20. Wie den Leib des Herrn im Abendmahl empfangen?

Willst du, dass all deine Mängel von dir genommen werden und dass du mit Tugenden und mit Gnaden (festlich) bekleidet wirst und dass du mit erfüllter Sehnsucht in deinen Ursprung geleitet wirst, so halte dich so, dass du das Sakrament oft und mit entsprechender Einstellung empfangen kannst. Denn dann wirst du eins mit ihm und geadelt durch seinen Leib. Ja, im Leib unseres Herrn wird die Seele so nahe zu Gott gefügt, dass alle Engel, seien es auch Cherubine oder Seraphine, den Unterschied zwischen euch weder erkennen noch finden können. Denn wo sie Gott berühren, da berühren sie die Seele, und wo sie die Seele berühren, da berühren sie Gott. Eine so intensive Einung hat es nie gegeben, denn die Seele ist mit Gott viel enger vereint als der Leib mit der Seele, die doch zusammen einen einzigen Menschen bilden. Diese Einung ist enger als ein Tropfen Wasser, den man in ein Fass in den Wein gießt, (mit dem Wein vereint ist); da waren einmal Wasser und Wein und diese werden so in Eins gewandelt, dass alle Geschöpfe den Unterschied nicht mehr finden können.

21. Mitten im Wirken ungebunden sein

„Man soll Gott eher beichten als den Menschen.“ Dann kann man sich neu ausrichten. Nun gibt es mitten im Tun Hindernisse genug, vor allem für „ungeübte Menschen“. Denn man muss lernen, dass es nicht auf den äußeren Erfolg, sondern auf die innere Rückwirkung des Werkes ankommt. Diese innere Rückwirkung nimmt aus den Dingen die Art, wie Gott in allen Dingen ist. Denn er ist ihr Vordenker bei der Schöpfung. Deshalb können sie von ihm wegbringen und zu ihm hinführen.

Wie üben wir es, „Gott in allen Dingen zu finden und zu erfassen“? Wir müssen die Behinderung unserer inneren Ausrichtung aus unseren Werken entfernen. Gelingt uns das, so können wir wirken und uns daran erfreuen, ohne uns im Erfolg zu spiegeln. Denn dann erfassen wir unser Wirken als Gabe Gottes, d.h. als Fortsetzung seines Wirkens und seiner Autorschaft. Es kommt auf die innere Loslösung und Gelöstheit („Abgeschiedenheit“) an. Das ist die Vorbereitung für das richtige Empfangen der Gaben Gottes: zu lernen, dass es nicht auf die Steigerung dessen ankommt, was man sich zum Eigenruhme an die Wand hängen kann. Gott will sich in unserem Willen wiederfinden. Die richtige Ethik sucht nicht den Erfolg im Sinne eines Woraufhin, sondern sie macht durchlässig für das, was Gott für die Welt will. Das kann ein starkes gutes Gefühl sein, aber dieses Gefühl kann auch täuschen, wenn es nicht die innerliche Überlassenheit ausweist.

22. Gott nachfolgen und von ihm vollendet werden

Es wird viel darüber diskutiert, was die beste Weise sei, Gott nachzufolgen. Für dich kommt es darauf an, dass du dies nach deinen Möglichkeiten und Fähigkeiten tust. Niemand kann das dann besser. Und darin liegt alles andere geborgen. Sei beständig in der Fortsetzung deines Weges. Wenn du immer wieder von neuen Angeboten auf andere Wege gebracht wirst, dann verlierst du deine Ausrichtung. Ein Gutes darf nicht das andere Gute zerstören.

Aber macht Gott das richtig, dass er Menschen mit der Taufgnade versieht, von denen nichts Gutes zu erwarten ist? Die Gnade zerstört die Natur nicht, sie vollendet sie. Darum bleibt die natürliche Freiheit erhalten. Die richtige Ausrichtung aus freier Entscheidung kann Gott mit seiner Gnade vollendenl Die Vielfalt dieser Freiheit zeigt sich in der Vielfalt guter Lebensweisen, darin kann man Gott suchen und von ihm gefunden werden.

In der Innerlichkeit darf man nicht tatenlos stehen bleiben. Wirken ist wichtig, aber als „Mitwirken mit Gott“. Denn „die Innerlichkeit soll ausbrechen in das Wirken und das Wirken soll in die Innerlichkeit zurückführen. So wirken außen und innen zusammen, aber auf das „von innen heraus wirken“ kommt es an. An der Innerlichkeit kann man auch wirken, etwa mit der Demut (s.o.) „Der höchste Punkt der Erhöhung liegt im tiefsten Punkt der Selbsterniedrigung.“ Der Geringste ist der größte (vgl. Mk 9,35) „Am meisten empfängt, wer geben kann“. Die Ehre gebührt Gott. Uns ist alles nur „geliehen“, was wir an Gaben haben. Darum sollen wir uns innerlich enteignen. „Denn Gott selbst will allein und gänzlich unser Eigen sein.“ Das ist die wahre Armut: leer und neu erfüllt sein zugleich Mit Paulus: „Wir sollen haben, als hätten wir nicht und doch alle Dinge besitzen (2 Kor 6,10)

„Der Mensch ist der beste, der entbehren kann, was ihm nicht nottut.“ Wenn Gott mir nicht gibt, dass ich Paulus bin, so bin ich damit zufrieden, denn er gibt mir dennoch. Er gibt mir nicht das Beste, das ich mir für mich irgendwie vorstellen kann, aber eben das will ich so. Er gibt, wenn man seine eigenen Vorstellungen zurücknimmt. „Lass Gott in dir wirken, gib ihm die Ehre.“ Ob Gott als Schöpfer mit der Natur in dir wirkt oder als Erlöser mit der Gnade, das ist hier schwer zu unterscheiden. Auf welchem Wege das Wasser in den Garten fließt, ist nicht so wichtig, wie dass er gewässert wird.