Unio Mystica -- Martina Gedeck liest Meister Eckhart

Am  27.06.2019 erlebten 250 Gäste eine besondere Veranstaltung: Martina Gedeck las Texte von Meister Eckhart zusammen mit drei Musikern. Dazu bot die Abendsonne in der Kirche ein einzigartiges Schauspiel.

Martina Gedeck beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Texten Meister Eckharts. In diesem Projekt leiht sie den gewaltigen, fundamentalen Texten ihre Stimme.

Die unendliche Weisheit der Schriften des mittelalterlichen Mystikers und Philosophen bilden das Zentrum dieses Projektes, das sich ‚unio mystica‘ nennt und bei dem die Musiker Dietrich Oberdörfer (Orgel, Organetto, Gesang), Jan von Klewitz (Saxophon) und Andreas Unterholzner (Gitarre) mitwirken. Die Klangwelt von ‚unio mystica‘ hat ihre musikalische Wurzel in der mittelalterlichen Modalität. Der Gregorianische Choral bildet die Inspirationsquelle fur eine musikalische Reise vom Mittelalter bis in die heutige Zeit.

Text und Musik bewegen sich parallel, getrennt voneinander, verschmelzen zu einer Einheit und lösen sich wieder auf in einer verklingenden Wellenbewegung...

Eine Rückmeldung nach der Konzert-Lesung

Es muß die Seele sein, die Seele, von der Martina Gedeck gerade mit den Worten Meister Eckharts spricht, während einzelne Töne eines Saxophons ihre ruhige, schöne Stimme untermalen.
Die Seele zeigt sich als flirrender Lichtfleck auf dem hellen Sandstein der Nische unter dem Lettner und verändert immer wieder ihre Erscheinung.
Martina Gedeck steht am Lesepult und liest ganz langsam die Sätze Meister Eckharts - genau so langsam, wie sie gesprochen werden müssen, damit wir dem, was wir hören, auch nachspüren können. Damit unsere Gedanken dem Gehörten folgen und wir verstehen können, was nicht immer einfach zu verstehen ist.
…und da, wo Gott ist, ist die Seele. Und wo die Seele ist – da ist Gott!
Viele Menschen sitzen in den Kirchenbänken und lauschen. Man hört kaum ein Räuspern, selten ein Flüstern, niemand steht auf und geht. Vielleicht geht es ihnen ähnlich wie mir.
Ich fühle mich vollkommen umfaßt von der Atmosphäre in der Kirche und spüre, wie ich davongetragen werde. Von dieser Stimme und den sparsamen Tönen der drei Musiker, die sich unio mystica nennen. In die hohen Gewölbekappen der Predigerkirche zeichnet die Abendsonne mit rötlich-goldener Farbe orientalische Muster.
 Es ist ganz hell an diesem Sommerabend in der Kirche. Nur die Gestalten der Künstler erscheinen als dunkle Silhouetten vor uns. Bald hier, bald dort spielt das Licht im Raum, streift Säulen, Gewölbe und Wände. Auf zwei Säulen beim Lettner ruht bläuliches Licht, wie überhaupt alles in der Kirche in dieser Stunde Ruhe vermittelt.
Meine Gedanken gehen an der „Hand“ der Worte Meister Eckharts eigene Wege. Ich tauche ab und höre erst nach einer gewissen Zeit wieder die Worte wie aus der Ferne, als ob ich aus der Ewigkeit wieder ins Jetzt gezogen werde.
Die kleine Schoß-Orgel, an der der Musiker bei jedem Ton mit der Hand einen papiernen Blasebalg aufzieht, klingt, das Saxophon klingt, die Gitarre klingt und Martina Gedecks Stimme klingt.
Da ist etwas in uns und um uns, das gleichzeitig beruhigt und bewegt, das uns ergreift.
Als ich aus der Kirche wieder ins Außen trete, habe ich Mühe, mich zurechtzufinden.
Wie aus einem Traum erwacht, ist nur mein Körper HIER, meine Seele scheint noch DORT.

Für eine Stunde war ich in einem anderen Universum.

Sylke Rupprecht

Zu Martina Gedeck

Geboren in München, aufgewachsen in Landshut und Berlin, absolvierte Martina Gedeck ihre Schauspielausbildung am Max Reinhard Seminar der Universität der Künste Berlin. Sie spielte an verschiedenen deutschen Bühnen, u. a. am Schauspielhaus Hamburg, Theater am Turm in Frankfurt/M. und an den Hamburger Kammerspielen. Parallel zu ihren Theaterengagements begann sie für Film und Fernsehen zu arbeiten.

Ihr beeindruckendes filmisches Schaffen umfasst unterschiedlichste Werke wie „Die Wand“ (Regie: Julian Pölsler), „Bella Martha“ (Deutscher Filmpreis als Beste Darstellerin, Preis der Deutschen Filmkritik), „Elementarteilchen“ (Regie: Oskar Roehler) , „Das Leben der Anderen“ (2007 mit dem Oscar als Bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichnet, Regie: Florian Henckel von Donnersmarck) oder „Der Baader Meinhof Komplex“ (Regie Uli Edel). Martina Gedeck spielte darüber hinaus in zahlreichen internationalen Produktionen, so zum Beispiel neben Jeremy Irons, Bruno Ganz und Charlotte Rampling in „Nachtzug nach Lissabon“ von Bille August oder Robert de Niros „The Good Shephard“ an der Seite von Matt Damon und Angelina Jolie und in „Hinter der Tür“ zusammen mit Helen Mirren (Regie: Istvan Szabo)

Martina Gedeck ist Mitglied der Europäischen Filmakademie, der Deutschen Filmakademie, der Akademie der Darstellenden Künste sowie Trägerin des Bayerischen Ver- dienstordens und des Chevalier des Arts et des Lettres.

Bereits 2013 hat Martina Gedeck bei den Meister Eckhart Tagen Erfurt in der ausverkauften Predigerkirche mit einer Lesung brilliert. Dieses Mal wird sie von dem Ensemble Unio Mystica musikalisch begleitet.